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»Biosphärenreservat Pfälzerwald«

Schneeimpression im Januar 2021

Schneeimpression im Januar 2021

 

Ein Streifzug durch die Zonen des Biosphärenreservates

Der 1958 gegründete »Naturpark Pfälzerwald« wurde 1992 zum UNESCO Biosphärenreservat ernannt. Vierzig Jahre später, 1998, wurde das Biosphärenreservat in Verbindung mit dem »Naturpark Nordvogesen« zum ersten grenzüberschreitenden Biosphärenreservat erklärt. Das Biosphärenreservat enthält Flächen aus insgesamt fünf Landkreisen einschließlich vier kreisfreier Städte, 26 Verbandsgemeinden und 129 Dörfern. Mit 179000 ha bildet es das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands. Träger des »Biosphärenreservats Pfälzerwald« ist der Bezirksverband der Pfalz, das sogenannte »Pfälzische Parlament«.

     

      Blick auf die Weiher im Glastal                                   Nebel im Biosphärenreservat                                Blick von der Teufelsleiter                                     Pfad im Biosphärenreservat

 

Das UNESCO Programm MAB, »Men and Bioshäre« (Mensch und Biosphäre) verdeutlicht das künftige Handeln innerhalb des Biosphärenreservates: Erweiterung und Weiterentwicklung der Kulturlandschaft in einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete Westeuropas und die Gestaltung des ökonomischen, ökologischen und sozialen Wandels innerhalb seiner Grenzen. Neben diesen Zielen dienen auch grenzüberschreitende Projekte und praxisnahe Erprobungen nachhaltigen Lebens eine wichtige Rolle.

Die Ortsgemeinde Frankenstein, im nordwestlichen Teil des Biospärenreservats gelegen, zeigt darin Alleinstellungsmerkmale, welche der oft zitierten Nachhaltigkeit, der Vielgestaltigkeit der Kultur- und Naturlandschaft und deren Bewirtschaftung in vorbildlicher Weise Rechnung trägt. So befindet sich in unmittelbarer Nähe des Dorfes die im Jahr 2020 per Rechtsverordnung und nach einstimmigem Ortsgemeinderatsbeschluss befürwortete größte Kernzonenerweiterung; mit insgesamt ca. 365 ha. Diese unter Prozessschutz stehende Fläche ist von jeglicher menschlichen Nutzung ausgeschlossen und soll aus Natur- und Umweltschutzschutzgründen nicht mehr betreten werden. Hier wird sich der Wald ähnlich wie in einem Nationalpark entwickeln.

Neben der Kernzone werden die daran anschließenden Pflegeszonen nach den neuesten Erkenntnissen nachhaltiger jagd- und forstwirtschaftlicher Wirtschaftsweisen genutzt, gepflegt und weiterentwickelt. Die Zukunftssicherung und Wohlfahrtswirkung des Waldes, seiner belebten und unbelebten Umwelt spielen hierbei eine zentrale Rolle. Innerhalb dieser Pflegeszonen weist unsere Ortsgemeinde eine Vielzahl von Besonderheiten auf: Die Buntsandsteinfelsen Rabenfels, Heidefels, Teufelsleiter, Griesenfels, Atlasfels und Mausefels unterstreichen die pittoreske Vielgestaltigkeit des Landschaftsbildes. Andere, in der Kernzone gelegenen Felsformationen wie Maiglöckchenfels und Rattenfels werden künftig der weitgehend ungestörten Biotopentwicklung überlassen. Zahlreiche Wanderwege, Nordic Walking Parcours, Mountain Bike Trails und nicht zuletzt auch ein Trekking Platz unweit des Ortes lassen Raum für individuelle Freizeitgestaltung. Triftweiher im nahegelegenen Leinbachtal, das Diemersteiner Tal mit seinen der natürlichen Sukkzession und der Verlandung preisgegebenen Weiheranlagen, mäandernde Bachläufe, die Quellen und Brunnen die vom Straßen, Industrie und sogar Fluglärm weitgehend unbehelligt bleiben, bilden die Ruhe- oder Stillezonen innerhalb der Pflegeszonen rund um den Ort. Sie dienen der besonderen Erholung und laden so manche*n Besucher*in zur meditativen Entspannung, Waldbaden und Entschleunigung ein. Die Pflegegszonen des Biosphärenreservates umschließen unsere Ortsgemeinde.

Kulturhistorisch interessierte Besucher*innen finden an der Grenze zwischen Pflege- und Entwicklungszone die Burgruinen Frankenstein und Diemerstein. Auf letzterer hielt sich der Reichsritter, Dichter, Publizist, Kirchenkritiker und Renaissance-Humanist der reformatorischen Bewegung Ulrich von Hutten im Verborgen auf. Innerhalb der Ortslage Frankenstein/Diemerstein befindet sich auch die im Besitz der Stiftung der Technischen Universität Kaiserslautern befindliche »Villa Denis« und ebenso das sich anschließende Gästehaus. Paul Camille von Denis war der Erbauer der ersten deutschen und pfälzischen Eisenbahn. Die sich innerhalb seines Landhauses befindlichen Wand-und Deckenmalereinen im pompejanischen Stil gemalt, werden als besonderes Kleinod dem Münchner Maler, Johann von Schraudolph, zugeordnet. »Villa Denis« ist auch die Wiege des Pfälzer Turnerbundes. Am 21. April 1861 wurde hier feierlich der Pfälzer Turnerbund gegründet.

Der fast verborgene, im rechten Diemersteiner Tal liegende Mennonitenfriedhof, zählt zu den ältesten seiner Art in Deutschland. Er wurde Anno 1783 gestiftet und ist Zeuge des einstigen Einflusses der Täufer auf unsere Ortsentwicklung und Politikgeschichte. Der Goebelsplatz in unserer Ortsmitte ist einer bedeutenden Frankensteiner Mennonitenfamile gewidmet.

Die jüdische Geschichte unseres Dorfes endete mit dem Verkauf der kleinen Synagoge an den Speyerer Bischof Dr. Ludwig Sebastian im Jahre 1932. Auf Wusch der damals nach Kaiserslautern gesiedelten Juden sollte ihr Gotteshaus nicht zu weltlichen Zwecken genutzt werden. Der in Frankenstein geborene Bischof weihte sie zur Filialkirche »Heiligste Dreifaltigkeit« und schenkte sie 1933 seiner katholischen Kirchengemeinde in Frankenstein.

Die im ehemaligen Grundschulgebäude unserer Ortsgemeinde eingerichtete Arbeitsstätte für die Geschichte der Pfälzer Juden und Aussiedler, des Bezirksverbandes der Pfalz, kann über die Synagoge und der späteren Verfolgung der Juden mit Sicherheit noch fundierte Auskünfte erteilen.  

Gegenüber »Villa Denis« entsteht eine Annexe der TU Kaiserslautern. Ein moderner Holzbaucampus der die Erkenntnisse des nachhaltigen und experimentellen Holzbaus vertieft und erforscht. Ein Pavillon der ohne Schrauben und Nägel errichtet wurde zeigt schon jetzt die noch vor kurzem ungeahnten Möglichkeiten des konstruktiven, modernen und ressourcenschonenden Holzbaus. Die Ortsgemeinde Frankenstein ist und war Wegbereiter für diesen Campus. Sie fördert schon seit mehreren Jahren nachhaltige ökologische, ökonomische und sozialen Handlungsfelder innerhalb der Ortsentwicklung und leistet somit ihren modellhaften Beitrag zur Weiterentwicklung des Biosphärenreservates.

In Ortsrandlage befinden sich derzeit mehrere Beweidungsflächen mit Rindern, Ziegen, Schafen, Gänsen und Eseln. Diese Projekte entstanden primär aus der Erkenntnis, dass die Sukzession in Ortsrandlage soweit zugenommen hatten, dass diese negative Einflüsse auf die Wohn- und Lebensqualität ausübten. Ein siedlungsökologisches Gutachten und wissenschaftliche Messungen zum Kaltluftabfluss in den Tälern bestätigten die zunächst subjektive Wahrnehmung. Dass mit der Beweidung auch eine touristische und ökologische Wertschöpfung einhergeht erfreut die meisten Bürger*innen der Gemeinde. Als Eigentümer*innen der Weideflächen leisten Sie zusammen mit einem weiteren Grundstückseigentümer, den Landesforsten Rheinland-Pfalz, einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Naturschutz sowie zur Ortsentwicklung. Dass innerhalb der Beweidung auch ein partnerschaftliches Auerrind-Rückzüchtungsprogramm entstand, verdient besondere Beachtung. Unter Federführung des archäologischen Freilandlabors Lauresham, des UNESCO Weltkulturerbes Kloster Lorsch in Hessen, werden Rinder rückgezüchtet, um letztlich ein phäno- und genotypisches Erscheinungsbild des Auerochsen zu erreichen.

Alle Beweidungsprokekte werden und wurden von den Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle des Biosphärenreservates betreut und beraten. Die Mittel der Beweidungs-Infrastruktur stammen großteils aus Töpfen des MUEEF unserer Landesregierung.

Als Auszeichnung für unsere Bemühungen im Bereich des Umwelt-Natur- und Landschaftsschutzes erhielten wir vom Haus der Nachhaltigkeit in Johanniskreuz eine Klimalinde und pflanzten diese am 27. November 2017, als »Hermannslinde«, benannt nach dem ehemaligen Direktor der Zentralstelle der Forstverwaltung in Neustadt, Herrn Dr. Hermann Bolz, in unserer Ortsmitte. Die Auslobung als »AKTION GRÜN«-KOMMUNE des Landes Rheinland-Pfalz erhielten wir im Jahre 2018. Damit wurden unsere vielfältigen Aktivitäten im Bereich der biologischen Vielfalt des Biotopverbunds, der Biotoppflege, der Offenhaltung durch Beweidung und der Umweltbildungsmaßnahmen gewürdigt.

Wir sind eine bekennende Biosphärengemeinde und leisten im Rahmen unsere Möglichkeiten die entsprechenden Beiträge zur Fortentwicklung des »Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen«.

Eckhard Vogel